Ein schwarzer Tag für Frauenrechte - schwarzer Tag für Menschenrechte

Josephine Taucher & Nicolas Bischoff

Ein schwarzer Tag für Frauenrechte - schwarzer Tag für Menschenrechte

Gestern fiel ein lange befürchteter, aber nicht unerwarteter Beschluss des polnischen Verfassungsgerichtes: Schwangerschaftsabbrüche (wir vermeiden den Ausdruck "Abtreibungen") sind ab jetzt auch dann verboten, wenn der Fötus unheilbar erkrankt ist. Dies macht den absoluten Großteil der Abbrüche aus, Ausnahmen bleiben Vergewaltigungen, Inzest und wenn das Leben der Mutter* in Gefahr ist (*im folgenden sprechen wir von "Frauen" und "Müttern". Uns ist bewusst, dass auch Personen anderer Personenstände gebären können. Die Situation von Queers wird weiter unten im Text behandelt). Mit dieser Änderungen sind Schwangerschaftsabbrüche defacto quasi unmöglich! In diesem Punkt zeigt die polnische Regierung ein weiteres Mal ihr rückwärtsgewandtes Handeln und bestätigt ihre rückschrittlichen Denkmuster! Die Gesellschaft wird immer offener und steht solchen Themen offener gegenüber, die polnische Regierung stellt sich dem entgegen!

Zum einen ist hier zu kritisieren, dass das polnische "Verfassungsgericht" diesen Namen kaum mehr verdient hat. Es läuft ein Verfahren der EU gegen Polen, weil die Gewaltenteilung nicht mehr gegeben ist [1]. Im Land läuft seit längerem ein Umbau des gesamten Staatsapparates in Richtung der regierenden PiS Partei.

Zum anderen muss auch daran gedacht werden, was das für die Frauen bedeutet: Entweder man trägt ein unheilbar krankes Kind final aus oder es bleibt nur der Gang in die Illegalität. Dies birgt natürlich Gefahren für die gebärende Person bis hin zu Todesfällen oder Unfurchtbarkeit. Hier wird das heutzutage fast als Relikt geltende Bild vom umfunktionierten Kleiderbügel traurige Realität.
Aber waren Schwangerschaftsabbrüche in Polen denn bisher die Normalität? Nein, auch nicht. Die offizielle Statistik zählt etwa 1.000 Abbrüche pro Jahr, die Dunkelziffer ist ein vielfaches höher [2], da auch vorher schon staatliche Repressionen und eine starke pro-life Bewegung Ärtz*innen abhielten.

Besonders perfide ist das Timing dieser Entscheidung: Während der Pandemie sind Gegendemonstration erschwert (diese gab es trotzdem!). Besonders brisant wird dies, wenn man die Geschichte betrachtet: es wurde schon mehrmals (2016, 2018) versucht diesen Gesetztesentwurf umzusetzen. Dies scheiterte aber beide Male an großen Protesten und öffentlichem Druck [3, 4]. Daher wäre es naiv zu glauben, dass es diesmal zu genau dieser Zeit ein Zufall ist.

So schlimm dieses Thema als einzelnes ist, so wichtig ist es aber es im Kontext zu betrachten! Solche Entscheidungen sind nicht aus Einzelinteressen einzelner Gruppen (z.B. Kirche oder pro-life) heraus entstanden, es handelt sich hierbei um einen Baustein eines konservativen patriarchalen rollbacks, der besonders in Polen in rasantem Tempo voran geht. Hierbei müssen andere Entwicklungen im gleichen Licht betrachtet werden: So hat Polen angekündigt aus der Instanbul-Konvention auszusteigen, die unter anderem Gewalt gegen Frauen als Verbrechen bezeichnet. Als weitere vom Patriarchat bedrohte Gruppe müssen queere Personen genannt werden: hier haben sich knapp 100 Lokalregierungen zu LGBT-Ideologie freien Zonen erklärt. In der Konsequenz stieg Gewalt gegen diese Personen rasant an, da noch mehr Hemmungen fielen diese und deren Veranstaltungen offen anzugreifen.

Auch wenn dieser Text bisher primär die polnische Regierung kritisiert, muss darauf verwiesen werden, dass die aktuelle Situation bei Schwangerschaftsabbrüchen auch in Deutschland mehr als unzufriedenstellend ist. Gemäß § 218 StGB (Strafgesetzbuch) ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland rechtswidrig. Dieser Verstoß kann nur innerhalb der ersten 12 Wochen der Schwangerschaft durch bestimmte Voraussetzungen nicht unter Strafe gestellt werden. Sucht eine Schwangere eine Beratungsstelle auf, so kann sie mit einer dreitägigen Wartefrist den Eingriff durchführen lassen. Diese Beratung soll angeblich ergebnisoffen sein, jedoch soll sie gleichzeitig dem "Schutz des ungeborenen Lebens" dienen, und steht somit im Grunde im Widerspruch zu sich selbst. Ebenfalls kann ein Eingriff straflos bleiben, wenn eine körperliche oder seelische Beeinträchtigung bestätigt werden kann oder eine Vergewaltigung vorliegt. Diese Situation ist nicht tragbar! Jede Frau sollte selbst über ihren Körper entscheiden dürfen und sich nicht vom Staat bevormunden lassen müssen!

Daher sind unsere Forderungen: My body, my choice! Weg mit §218 und 219a! Frauen und andere gebärende Personen sind nicht ein Politikum, über das andere fremdbestimmen können! Sie sind nicht Eigentum des Staates und nicht nur "Geburtsgefäße", die mit der Schwangerschaft ihr Selbstbestimmungsrecht abgeben. Das Recht über den eigenen Körper bestimmen zu dürfen sollte hier an oberster Stelle stehen, es ist ein Ding der Unmöglichkeit und ein starker Rückschritt, dass Menschen nicht über sich selbst bestimmen dürfen!
Hierin zeigt sich stark der rollback, der in unserer Gesellschaft passiert: dieser wird durch konservative und rechte Parteien immer weiter vorangetrieben. Diese rückschrittliche Haltung behindert unsere Gesellschaft daran sich zu entwickeln und wirft diese durch eine Politik, die gegen Selbstbestimmung und Freiheit ausgerichtet ist, zurück und schränkt sie damit ein. Wir kämpfen für Selbstbestimmung und Freiheit und stellen uns gegen die rückwärts gewandte Art der Konservativen und Rechtspopulisten unseres Landes und in ganz Europa!

[1] https://ec.europa.eu/.../20200429-rechtsstaatlichkeit...

[2] https://www.zeit.de/.../polen-abtreibungsgesetz-protest...

[3] https://www.zeit.de/.../polen-abtreibungsgesetz-protest...

[4] https://www.zeit.de/.../polnisches-parlament-lehnt...

Text von Josephine Taucher und Nicolas Bischoff

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